Long Covid und Hüftkopfnekrose

Warum kommt es im Rahmen der COVID-19 Pandemie zu einem gehäuften Auftreten einer Hüftkopfnekrose?

Das SARS CoV-2 Virus hat unsere Welt und das Zusammenleben grundsätzlich verändert. Die COVID-19-Pandemie hat unsere Gesundheitssysteme an die Grenzen gebracht und gezeigt, wie unvorbereitet wir auf solch eine Erkrankung waren. Die Behandlung einer COVID-19Erkrankung ist sowohl bei einem akuten schweren Verlauf eine Herausforderung als auch bei den langfristigen Auswirkungen des Virus (Long-Covid).

Aus orthopädischer Sicht wurden elektive Operationen über Wochen und Monate ausgesetzt, um die teilweise schwer erkrankten Patienten in unseren Krankenhäusern und Intensivstationen behandeln zu können. Dies hat in vielen Ländern zu einem sprunghaften Anstieg der Wartelisten geführt, was eine weitere Herausforderung für unser Gesundheitssystem war.

Eine wichtige medikamentöse Therapie der Covid-19 Erkrankung mit ausgeprägterpulmonaler Symptomatik sind Corticosteroide (Cortison). Bei vielen Patienten wird die Behandlung mit Glucocorticoiden-Medikamenten begonnen, wenn sie Anzeichen einer Verschlechterung der Atemwege zeigen. Die Dosierung von 6 mg Dexamethason täglich über zehn Tage reduziert die 28-Tage-Sterblichkeit und die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung (RECOVERY-Studie). Allerdings ist auch bekannt, dass höhere Dosierungen von Glucokortikoiden das Risiko einer avaskulären Femurkopfnekrose mit sich bringen. Diese hängt mit der kumulativen Dosis zusammen. D.h. sowohl eine höhere Dosierung als auch eine längere Dauer der Cortisontherapie können zu einer Knochennekrose im Bereich des Hüftkopfes führen. Wie hoch dieses Risiko ab welcher Gesamtmenge Cortison ist, lässt sich aktuell noch nicht eindeutig sagen. In den vorliegenden Studien werden Gesamtdosen von 800-2000mg predinsolonäquivalent genannt. Was wiederum einer Dexamethason-Dosis von 150-400mg entspricht. Somit ist die sorgfältige Abwägung bezüglich der Höhe und Dauer der Cortison-Therapie dringend notwendig.

Falls es in der Folge einer Covid-Erkrankung zu einer Hüftkopfnekrose kommt, ist eine frühzeitige Behandlung für den Heilungsverlauf entscheidend.

Die Erkrankung wird grundsätzlich in 4 Stadien unterteilt, die die unterschiedlichen Schweregrade darstellen. Und nur in den Stadien 1-2 ist untereiner gezielten Therapie eine vollständige Ausheilung möglich. In vielen Fällen ist jedoch der Befund bereits so weit fortgeschritten, dass eine gelenkerhaltende Therapie nicht mehr möglich ist. In einem Stadium 3 oder 4 ist die Hüftkopfnekrose irreversibel und eine vollständige Heilung ist somit nicht mehr möglich. Die chronischen Beschwerden und Schmerzen machen in der Regel die kurz- oder mittelfristige Implantation einer Hüft-Endoprothese notwendig. Und bei einem bereits erfolgten Einbruch des Hüftkopfes ist diese Operation umso dringender. Gerade weil diese Erkrankung oftmals junge und aktive Patientenbetrifft, ist diese Erkrankung so problematisch. Die weiteren Behandlungsmethoden gerade in den späteren Erkrankungsphasen sind sehr begrenzt und in der Regel nur symptomatisch z.B. mit Schmerzmedikamenten möglich.

In Bezug auf eine wirksame gelenkerhaltende Behandlung ist eine frühzeitige Diagnose umso wichtiger und entscheidend. Die einzige sinnvolle Untersuchung ist die Durchführung eines MRT (Magnetresonanztomographie) und hier eben nicht nur bei den bereits erkrankten Patienten mit einer Hüftkopfnekrose, sondern auch bei den Patienten, bei denen noch keine klinischen Symptome wie Schmerzen aufgetreten sind. Allerdings wurde in Studien nachgewiesen, dass es nicht ausreichend ist, wenn nur ein einziges MRT zwei bis drei Monate nach Erkrankung durchgeführt wird, um sicher auszuschließen, dass keine Folgeerkrankung vorliegt.

Trotz der gelenkerhaltenden Verfahren in den Stadien 1 und 2, kommt die Diagnostik auch bei jüngeren Patienten oftmals zu spät und ein Gelenkersatz ist die einzige Option, wenn die Schmerzen dies erfordern.

Der Ersatz erfolgt dann im Idealfall in einem spezialisierten Zentrum, denn es gibt einige Besonderheiten zu beachten. Aufgrund der Nekrose des Hüftkopfes, ist die Erkrankung ein völlig andere als bei der normalen verschleißbedingten Hüft-Arthrose, die vorwiegend bei Menschen in dem zweiten Lebensabschnittauftritt. Der Knochen ist im Gegensatz zur Hüftarthrose (Coxarthrose) nicht sklerosiert und hart, sondern weich und instabil. Dies erfordert sehr vielgrößere Vorsicht und Erfahrung, insbesondere bei der Implantation der Pfannenkomponente am Becken. Bei der jüngeren Patientengruppe müssen die Implantate deutlich länger halten und im Zweifel in den nächsten Jahrzehnten noch einmalgewechselt werden. Hier ist die Verwendung von knochensparenden Kurzschaftprothesen entscheidend und für eine optimale Versorgungsqualität ebendieser Patientengruppe sehr wichtig. Die hauptsächlich verwendeten längeren Standardprothesen sind grundsätzlich auch möglich, aber mit den o.g. Nachteilen bei einer Folgeoperation verbunden. Auch in Bezug auf die knochensparende Pfannenpositionierung ist besonders zu achten, um auch hier eine „Knochen-Reserve“ für einen Wechseleingriff zu haben. Ein weiterer Punkt ist die Gleitpaarung des Hüftgelenks, also der Teil der Pfannen, die mit dem neuen Hüftkopf artikuliert. Hier sollte bei jüngeren Patienten die Kombination von Keramik-Keramik verwendet werden, da es hiermit selbst über Jahrzehnte zu keinem relevanten Verschleiß kommt und somit von einer besseren Haltbarkeit auszugehen ist.

Die schädlichen Auswirkungen vor allem bei einer Langzeit-Therapie von Steroiden sind seit längerem bekannt. Ebenfalls bekannt sind auch die Mechanismen, wie Glucocorticoide zu einer Hüftkopfnekrose führen können, finden aber im klinischen Alltag bisher zu wenig Beachtung. Zum einen wird ein bestimmtes Cholesterin im Blut in der Umwandlung so beeinflusst, dass dieses nicht vollständig verstoffwechselt wird und kleine Fettkügelchen entstehen. Diese führen zu Fettembolien und können periphere Blutgefäße verschließen, was eine Durchblutungsstörung und somit eine ischämische Nekrose des Knochengewebes zur Folge haben. Andere komplexe Mechanismen resultieren in einer Entzündung der kleinen Blutgefäße und aktivieren somit die Blutgerinnung, was die Hüftkopfnekrose weiter beschleunigt. Auch eine direkte Gefäßverengung durch Glucocorticoide ist mittlerweile beschreiben. Zudem sind bestimmte Gensequenzen bekannt, die für spezielle Reparaturmechanismen des osteonekrotischen Knochens zuständig sind. Diese werden durch Cortison so beeinflusst, dass es zu einer Hemmung der Knochenregeneration kommt.

In der Literatur häufen sich die Zahlen von Patienten, die nach einer Covid-19 Infektion und Cortison-Behandlung eine Hüftkopfnekrose entwickelten. Dies trifft allerdings nur für die Gabe sehr hoher Cortison-Mengen über längere Zeiträume zu. Die Gabe über nur eine kurze Zeit verringert deutlich die Wahrscheinlichkeit, an Hüftkopfnekrose zu erkranken. In einigen Studien wird zudem das Virus selbst als unabhängiger Faktor gesehen, der zu einer Hüftkopfnekrose führen kann.

Grundsätzlich besteht in Anbetracht der möglichen Folgen bei vielen Ärzten die Meinung, dass Patienten mit nur einer leichten Corona-Erkrankung kein Cortison erhalten sollten. Bei denjenigen, die einen schweren oder sehr schweren Verlauf der Erkrankung haben, sollte die Cortison Dosierung in Hinblick auf mögliche Langzeitfolgen, wie beispielsweise die Hüftkopfnekrose, immer wieder kontrolliert werden und auch nur so niedrig dosiert sein, wie es für die Behandlung erforderlich ist. Allerdings gibt es hier nicht nur in unterschiedlichen Ländern, sondern auch von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr unterschiedliche Einschätzungen trotz nationaler Therapieleitlinien.

Viele der von Hüftkopfnekrose Betroffenen sind jung und aktiv, was die Behandlung eines solchen potenziell verheerenden Zustands problematisch macht. Die Behandlungsmöglichkeiten bei fortgeschrittener Erkrankung sind begrenzt, und obwohl einige neuartige Behandlungen untersucht werden, beruht eine wirksame gelenkerhaltende Behandlung auf einer frühzeitigen Diagnose.

Viele Wissenschaftler und Ärzte fordern bereits eine routinemäßige MRT-Untersuchung nach hochdosierter Cortisontherapie. In Studien konnte gezeigt werden, dass ein Auftreten der avaskulären Hüftkopfnekrose in dem Zeitraum von 3 Wochen bis 3 Monaten möglich ist. Somit sollten regelmäßige MRT-Untersuchungen 3 bis 6 Monate nach einer Hochdosis-Cortisontherapie durchgeführt werden.

Ein Bewusstsein für die möglichen orthopädischen Auswirkungen der Krankheit –"orthopädisches LONG COVID" – ist daher für alle medizinischen Fachkräfte, die sich mit Patienten nach einer COVID-19-Erkrankung befassen, von entscheidender Bedeutung.

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